5 Sicherheitsregeln Elektrotechnik
Veröffentlicht in   Grundlagen der Arbeitssicherheit am 19/04/2025 von     Markus Kreuels ,

Die Gefahren sind erkannt, die Risiken bewertet (hoffentlich haben Sie unseren Beitrag zur Gefährdungsbeurteilung Elektrotechnik nicht nur gelesen, sondern auch schon erste Ideen gesammelt 😉. Und jetzt? Wie sorgen wir dafür, dass Monteur Müller und Kollege Schmidt auch wirklich sicher arbeiten, wenn's darauf ankommt und der Schaltschrank geöffnet wird?

Wissen allein schützt nämlich nicht vor dem Stromschlag! Es braucht klare Handlungsanweisungen und ein eisernes Festhalten an grundlegenden Sicherheitsprinzipien. Hier kommen zwei absolute Must-haves ins Spiel: verständliche Arbeitsanweisungen und die legendären 5 Sicherheitsregeln der Elektrotechnik. Klingt altbacken? Ist es aber nicht – es ist überlebenswichtig!

Arbeitsanweisungen – Mehr als nur "Bitte vorsichtig sein!" oder staubiges Behördendeutsch

Eine Arbeitsanweisung soll – der Name sagt es ja – anweisen, wie eine bestimmte Tätigkeit sicher und korrekt auszuführen ist. Sie übersetzt die Erkenntnisse aus der Gefährdungsbeurteilung in konkrete Handlungsschritte.

Warum der "Zettelkram"? 

Ganz einfach: Um Fehler zu vermeiden, Abläufe zu standardisieren und sicherzustellen, dass jeder weiß, was zu tun ist – auch wenn der Chef mal nicht danebensteht. Für bestimmte gefährliche Arbeiten oder den Umgang mit Gefahrstoffen sind sie sogar explizit vorgeschrieben. Aber auch sonst sind sie Gold wert, um Klarheit zu schaffen.

Was macht eine gute Arbeitsanweisung aus? 

Vergessen Sie lange Textwüsten voller Paragrafen und verklausulierter Sätze! Eine gute Arbeitsanweisung ist:

  • Klar und verständlich: Geschrieben für den Anwender, nicht für den Juristen. Kurze Sätze, klare Sprache.
  • Konkret: Genaue Beschreibung der einzelnen Schritte in der richtigen Reihenfolge.
  • Übersichtlich: Gliederung, vielleicht sogar Bilder oder Piktogramme.
  • Spezifisch: Zugeschnitten auf die konkrete Tätigkeit, die Maschine oder Anlage. Eine "One-size-fits-all"-Anweisung taugt meistens nichts. (Klar, für die Suche nach "Betriebsanweisung Elektrotechnik Vorlage" gibt's Treffer, aber bitte immer anpassen!)
  • Vollständig: Sie sollte Infos enthalten zu: Anwendungsbereich, Gefahren, Schutzmaßnahmen (inkl. PSA!), Handlungsanweisungen (Schritt für Schritt), Verhalten bei Störungen, Erste Hilfe, verantwortliche Personen.

Wichtig: Die Erstellung und Aktualisierung solcher Anweisungen erfordert Sachverstand. Hier ist Ihr qualifiziertes Personal (EFK, EuP etc.) gefragt, denn die kennen die Tücken der Praxis!

Kleiner Tipp vom Experten: Eine gute Arbeitsanweisung ist wie ein gutes Kochrezept. Folgt man ihr Schritt für Schritt, kommt meist was Gutes (und sicheres!) raus. Improvisiert man wild oder lässt Zutaten weg, kann's schnell anbrennen – im wahrsten Sinne des Wortes!

Die 5 Sicherheitsregeln – Das Mantra jeder Elektrofachkraft (und aller, die es werden wollen!)

Jetzt kommen wir zum heiligen Gral des sicheren Arbeitens in der Elektrotechnik, wenn an (normalerweise) aktiven Teilen gearbeitet werden muss, stehen die 5 Sicherheitsregeln an oberster Stelle. Das sind keine freundlichen Empfehlungen, sondern eine zwingend einzuhaltende Reihenfolge für Arbeiten im freigeschalteten Zustand. Nennen Sie sie die "Goldenen Regeln" oder das "1x1 des sicheren Schaltens" – aber wenden Sie sie an!

Hier sind sie, Schritt für Schritt und mit Praxis-Kommentar:

1. Freischalten

Was heißt das? Die Anlage oder der Anlagenteil, an dem gearbeitet wird, muss von allen spannungsführenden Teilen getrennt werden. Und zwar allpolig (alle aktiven Leiter, auch der Neutralleiter, falls vorhanden)! Nur einen Schalter umlegen, reicht oft nicht. Denken Sie an mögliche Rückspeisungen oder Steuerstromkreise. Praxistipp: Wissen, wo der richtige Trenner sitzt und diesen auch betätigen! Im Zweifel lieber einmal zu viel als einmal zu wenig abschalten.

2. Gegen Wiedereinschalten sichern

Was heißt das? Verhindern, dass jemand (oder etwas) die Anlage versehentlich wieder unter Spannung setzt, während Sie oder Ihre Kollegen daran arbeiten. Praxistipp: Schloss vor den Schalter! Oder Sicherungen entfernen und sicher verwahren. Warnschild anbringen ("Nicht schalten, es wird gearbeitet!"). Je nach Anlage gibt es spezielle Sperrelemente. Vertrauen Sie nicht darauf, dass "schon keiner kommt". Kollege Kurzschluss ist schneller da, als Sie denken …

3. Spannungsfreiheit feststellen

Was heißt das? Der wichtigste Kontrollschritt! Sie müssen zweifelsfrei feststellen, dass die Anlage wirklich spannungsfrei ist, und zwar an der Arbeitsstelle selbst und an allen Leitern, die Spannung führen könnten (allpolig!). Praxistipp: Verwenden Sie IMMER einen geeigneten, zweipoligen Spannungsprüfer (nach DIN EN 61243-3 / VDE 0682-401)! Vergessen Sie den "Lügenstift" (einpoliger Phasenprüfer) – der ist lebensgefährlich unzuverlässig! Prüfen Sie den Spannungsprüfer vor (!) und nach (!) der Benutzung an einem bekannten Spannungs- führenden Punkt (z.B. Steckdose). Der Klassiker unter den Unfällen: Nur eine Phase auf Spannungsfreiheit geprüft, auf der zweiten war noch Saft drauf …  das tut weh, oder kann evtl. noch viel schlimmer enden.

4. Erden und Kurzschließen (EuK)

Was heißt das? Dies ist Ihre zusätzliche Lebensversicherung, falls unerwartet doch wieder Spannung an die freigeschaltete Stelle gelangt (z.B. durch versehentliches Einschalten trotz Sicherung, durch Induktion bei Freileitungen, Notstromaggregate). Die EuK-Vorrichtung leitet diese Spannung sicher zur Erde ab und verursacht einen Kurzschluss, der die vorgeschaltete Sicherung auslöst. Praxistipp: Besonders wichtig bei Hochspannungsanlagen und Freileitungen, aber auch im Niederspannungsbereich bei Anlagen mit Einspeisemöglichkeit oder langen Leitungen oft vorgeschrieben oder dringend empfohlen. Beachten Sie die richtige Reihenfolge beim Anlegen: Immer ZUERST mit Erde verbinden, DANN mit den freigeschalteten aktiven Teilen! Und passende Querschnitte verwenden!

5. Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken

Was heißt das? Auch wenn Ihre direkte Arbeitsstelle sicher ist – was ist mit den Teilen DANEBEN, DARÜBER oder DARUNTER? Wenn dort noch Spannung anliegt und die Gefahr besteht, dass Sie oder Ihr Werkzeug versehentlich drankommen, müssen diese Teile sicher abgedeckt (z.B. mit isolierenden Tüchern, Platten) oder der Arbeitsbereich durch Abschrankungen (Seile, Gitter) gesichert werden. Praxistipp: Denken Sie an den notwendigen Sicherheitsabstand! Manchmal reicht schon eine unbedachte Bewegung mit einem langen Werkzeug …

Ganz wichtig: Die Reihenfolge dieser 5 Regeln muss strikt eingehalten werden! Und bei der Wiederinbetriebnahme erfolgt die Aufhebung in umgekehrter Reihenfolge (also erst Abdeckungen weg, dann EuK entfernen, dann Sicherung gegen Wiedereinschalten entfernen, dann erst einschalten).

Wann gelten die Regeln ausnahmsweise mal nicht?

Die 5 Sicherheitsregeln gelten für das Arbeiten im spannungsfreien Zustand. Es gibt wenige Ausnahmen, wie das Arbeiten unter Spannung (AuS). Aber Achtung: AuS ist nur unter ganz bestimmten Bedingungen erlaubt, erfordert spezielle Ausbildung, besondere Arbeitsverfahren und Werkzeuge und ist definitiv nichts für den Standard-Einsatz! Auch bei Arbeiten an Anlagen mit Schutzkleinspannung (SELV/PELV) kann unter Umständen anders verfahren werden – aber nur, wenn sichergestellt ist, dass keine gefährliche Spannung auftreten kann.

Arbeitsanweisung + 5 Regeln = Sichere Praxis

Wie passt das zusammen? Ganz einfach: Eine gute Arbeitsanweisung für Tätigkeiten, die ein Freischalten erfordern, wird oft explizit auf die Anwendung der 5 Sicherheitsregeln verweisen oder die Schritte sogar beinhalten. Sie stellt sicher, dass die Regeln im Kontext der spezifischen Anlage oder Tätigkeit korrekt angewendet werden. Und natürlich muss auch hier klar sein, wer aufgrund seiner Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung (AKV) diese Regeln anwenden darf und muss.

Merke: Routine darf nicht zur Falle werden!

Klare, verständliche Arbeitsanweisungen und die konsequente Anwendung der 5 Sicherheitsregeln sind keine überflüssige Bürokratie, sondern das tägliche Handwerkszeug für sicheres Arbeiten im Elektrobereich. Sie schützen Leben und Gesundheit!

Die größte Gefahr ist oft die Routine. Gerade erfahrene Kollegen denken manchmal "Ach, das geht auch mal schnell ohne..." – genau dann passieren die schlimmsten Unfälle. Ich erinnere mich an einen Fall, da hat ein Meister nur 'kurz' was nachziehen wollen, ohne die 5 Regeln anzuwenden – er hat es zum Glück überlebt, aber mit schweren Verbrennungen. Bleiben Sie wachsam, hinterfragen Sie Routinen und sorgen Sie dafür, dass diese fundamentalen Prinzipien bei Ihnen im Betrieb gelebt werden!


Sind Ihre Arbeitsanweisungen wirklich praxistauglich und auf dem neuesten Stand? Werden die 5 Sicherheitsregeln konsequent geschult und angewendet? Lassen Sie uns gemeinsam für klare und sichere Abläufe sorgen!

Kontaktieren Sie uns für einen Praxis-Check Ihrer Anweisungen und Verfahren!


Über den Autor

Markus Kreuels

Mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung als Elektromeister und VEFK habe ich mich auf die Arbeitssicherheit in der Elektrotechnik spezialisiert. Mein Ziel ist es, durch fundiertes Fachwissen und praxisnahe Lösungen die Arbeitssicherheit in der Elektrotechnik zu optimieren. Vertrauen Sie auf meine langjährige Expertise und mein Engagement für höchste Sicherheitsstandards


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