Elektrische Energie ist der Motor moderner Betriebe, birgt jedoch auch erhebliche Gefahren. Technische Schutzmaßnahmen allein reichen nicht aus, um Sicherheit zu gewährleisten. Der Faktor Mensch ist entscheidend. Nur Personen mit der notwendigen Qualifikation dürfen elektrotechnische Arbeiten ausführen, um Unfälle, Schäden und empfindliche Haftungsfälle zu verhindern.
Doch wer darf was im Elektrobereich tun? Was unterscheidet eine Elektrofachkraft (EFK) von einer Elektrotechnisch unterwiesenen Person (EuP) oder einer Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten (EFKffT)? Und wie stellen Sie als Unternehmer oder Führungskraft sicher, dass Ihr Personal nicht nur über die erforderliche Befähigung verfügt, sondern diese auch aktuell hält? Dieser Beitrag beleuchtet die entscheidenden Aspekte der Personalauswahl und Qualifikation im Elektrobereich.
Warum ist die richtige Qualifikation so entscheidend?
Die korrekte Auswahl und der Einsatz von qualifiziertem Personal sind nicht nur eine Frage der technischen Vernunft, sondern auch eine rechtliche Notwendigkeit. Diese Anforderungen sind tief in der übergeordneten Verpflichtung zur Schaffung einer rechtssicheren Organisation in der Elektrotechnik verankert, die jeder Unternehmer gewährleisten muss, um seiner Verantwortung gerecht zu werden und Organisationsverschulden vorzubeugen. Die spezifischen gesetzlichen Grundlagen hierfür finden sich unter anderem im Arbeitsschutzgesetz (§ 7 Pflichtenübertragung), der Betriebssicherheitsverordnung (§ 3 Gefährdungsbeurteilung) und der DGUV Vorschrift 3 "Personal" (§ 3).
Zusammenfassend lässt sich sagen, der Einsatz von nicht oder nicht ausreichend qualifiziertem Personal ist aus folgenden Gründen kritisch:
- Sicherheit: Unzureichendes Wissen über Gefahren, Normen und Schutzmaßnahmen führt unweigerlich zu Fehlern, die schwere oder tödliche Stromunfälle, Brände oder Anlagenschäden verursachen können. Arbeitssicherheit für Mitarbeiter in der Elektrotechnik hat oberste Priorität.
- Haftung: Kommt es zu einem Unfall, wird geprüft, ob der Unternehmer seiner Auswahl-, Anleitungs- und Aufsichtspflicht nachgekommen ist. Kann er keinen ausreichenden Befähigungsnachweis für die beteiligten Personen vorlegen bzw. nachweisen, dass sie nur im Rahmen ihrer Qualifikation tätig wurden, droht ihm der Vorwurf des Organisationsverschuldens mit zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen. Die sorgfältige Auswahl der richtigen Elektrofachkraft und anderer befähigter Personen ist Teil der unternehmerischen Sorgfaltspflicht.
Die Qualifikationsstufen im Überblick (gemäß VDE 1000-10)
Die Norm VDE 1000-10 "Qualifikation und Tätigkeiten von Personen bei Arbeiten an elektrischen Anlagen" definiert die wesentlichen Qualifikationsstufen, die für die Praxis relevant sind:
Elektrotechnischer Laie
Dies ist jede Person, die weder Elektrofachkraft (EFK), noch elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP) oder Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten (EFKffT) ist. Laien dürfen elektrische Anlagen und Betriebsmittel nur bestimmungsgemäß benutzen (z.B. Lichtschalter betätigen, Stecker einstecken, Leuchtmittel mit einer Leistung bis 200 W und einer Nennspannung bis 250 V sowie Schmelzsicherungen in Laien-bedienbaren Verteilern bis zu einer maximalen Nennstromstärke von 63 A bei bis 400 V AC wechseln
Elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP)
Eine EuP ist eine Person, die durch eine Elektrofachkraft über die ihr übertragenen Aufgaben und die möglichen Gefahren bei unsachgemäßem Verhalten unterrichtet und erforderlichenfalls angelernt sowie über die notwendigen Schutzeinrichtungen und Schutzmaßnahmen belehrt wurde.
- Elektrotechnisch unterwiesene Person Aufgaben: EuPs dürfen nur eng begrenzte, klar definierte und sich oft wiederholende Tätigkeiten ausführen (z.B. bestimmte Messgeräte prüfen, spezielle Sicherungen wechseln, definierte Leuchtmittel tauschen).
- Wichtig: Eine EuP arbeitet immer unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft! Sie trägt keine Fachverantwortung und darf keine eigenständigen Entscheidungen über Arbeitsverfahren oder Schutzmaßnahmen treffen. Die Bestellung zur EUP sollte unbedingt schriftlich erfolgen und die erlaubten Tätigkeiten detailliert auflisten.
- Mögliche Tätigkeiten nur nach Unterweisung und entsprechender schriftlicher Bestellung:
- Arbeiten außerhalb der Annäherungszonen
- Betreten von elektrischen Betriebsstätten
- Freischalten von Anlagenteilen
- Quittieren von Schutzeinrichtungen
- Leuchtmittelwechsel
- Messen von Strom; Spannung und Widerstand
- Auswechseln NH Sicherungen
Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten (EFKffT)
Eine EFKffT ist eine Person mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung (meist nicht elektrotechnisch), die durch eine spezielle theoretische und praktische Zusatzausbildung Kenntnisse und Fertigkeiten für klar definierte, gleichartige, sich wiederholende elektrotechnische Arbeiten an Betriebsmitteln oder Anlagen erworben hat, die vom Unternehmer schriftlich festgelegt sind.
- EFKffT Tätigkeiten: Typische Beispiele sind das Anschließen elektrischer Geräte (wie Herd, Waschmaschine, Pumpe) durch Monteure oder Kundendiensttechniker im Rahmen ihrer eigentlichen nicht-elektrotechnischen Haupttätigkeit. Die festgelegten Tätigkeiten müssen präzise beschrieben und dokumentiert sein.
- Wichtig: Eine EFKffT führt die ihr übertragenen, festgelegten Tätigkeiten eigenverantwortlich (also ohne ständige Leitung und Aufsicht einer EFK) aus. Sie muss die spezifischen Gefahren dieser Tätigkeiten erkennen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen sicher anwenden können. Auch hier ist eine schriftliche Bestellung durch den Unternehmer mit genauer Tätigkeitsbeschreibung und Benennung der Betriebsmittel/Anlagen unerlässlich.
- Mögliche Tätigkeiten nur nach Unterweisung und entsprechender schriftlicher Bestellung: ( zusätzlich zur EUP)
- Austauch von elektrischen Komponenten und Motoren
- Instandhaltung
- Instandsetung von Steckdosen
- Instandsetzung von Beleuchtung
Elektrofachkraft (EFK)
Die Elektrofachkraft ist die umfassend qualifizierte Person im Elektrobereich. Sie kann aufgrund ihrer fachlichen Ausbildung (z.B. Elektroniker, Elektromeister, Elektrotechniker, Elektroingenieur), ihrer Kenntnisse und Erfahrungen sowie ihrer Kenntnis der einschlägigen Normen und Bestimmungen die ihr übertragenen Arbeiten beurteilen, mögliche Gefahren erkennen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen treffen.
- Anforderungsprofil Elektrofachkraft: Neben der formalen Ausbildung sind aktuelle Kenntnisse der Normen (VDE), Vorschriften (DGUV) und Gesetze sowie ausreichende praktische Erfahrung entscheidend. Eine EFK muss in der Lage sein, eigenverantwortlich zu handeln und komplexe elektrotechnische Zusammenhänge zu verstehen. Als Elektrofachkraft im Sinne der Unfallverhütungsvorschrift DGUV Vorschrift 3 gilt, wer auf Grund seiner fachlichen Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen sowie Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen die ihm übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen kann
- Mögliche Tätigkeiten
alle elektrotechnischen Tätigkeiten außer das Arbeiten unter Spannung mit folgenden Einschränkungen- Arbeiten unter Spannung ( AuS Befähigung erforderlich)
- Schalten im MS oder HS bereich ( Schaltberechtigung erforderlich
- Mögliche Tätigkeiten
(Verantwortliche Elektrofachkraft - VEFK)
Die VEFK ist eine spezielle Form der Elektrofachkraft mit zusätzlicher Fach- und Aufsichtsverantwortung, die ihr vom Unternehmer übertragen wurde. Ausführliche Informationen zu den spezifischen Aufgaben, Kompetenzen, der Verantwortung der VEFK finden Sie in unserem dedizierten Beitrag zu diesem Thema.
Der Auswahlprozess: Die richtige Person für die Aufgabe
Die sorgfältige Auswahl von Personal für elektrotechnische Aufgaben ist entscheidend:
- Anforderungsprofil definieren: Welche konkreten Tätigkeiten sollen ausgeführt werden? Welche Qualifikationsstufe (EuP, EFKffT, EFK) ist dafür mindestens erforderlich?
- Qualifikationsnachweise prüfen: Formale Ausbildungsnachweise, Zertifikate über Zusatzqualifikationen (EFKffT), bisherige Bestellungen oder Beauftragungen, Nachweise über regelmäßige Unterweisungen und Weiterbildungen.
- Beurteilung der Eignung: Neben der formalen Qualifikation sind auch Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und ggf. körperliche Eignung relevant.
- Bestellung/Beauftragung: Insbesondere für EuP und EFKffT ist eine klare, schriftliche Beauftragung bzw. Bestellung mit genauer Definition der erlaubten Tätigkeiten unerlässlich. Für EFKs ist eine klare Aufgabenzuweisung (z.B. in der Stellenbeschreibung) wichtig.
Qualifikation erhalten und erweitern: Ein kontinuierlicher Prozess
Die einmal erworbene Qualifikation als Elektrofachkraft oder eine andere Befähigung ist kein lebenslanger Freibrief. Wissen veraltet, Normen ändern sich, neue Technologien kommen hinzu. Daher ist die kontinuierliche Qualifizierung Pflicht:
- Regelmäßige Sicherheitsunterweisung: Mindestens jährlich durchzuführende Unterweisung über spezifische Gefahren, Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln (gesetzliche Pflicht!). Diese muss dokumentiert werden.
- Weiterbildung Elektrotechnik: Teilnahme an Schulungen und Seminaren zur Auffrischung und Vertiefung des Fachwissens, insbesondere bei Normenänderungen oder neuen Aufgabenbereichen. Die Notwendigkeit ergibt sich auch aus der Pflicht zur Anpassung an den Stand der Technik.
- Dokumentation: Alle Unterweisungen und Weiterbildungen müssen sorgfältig dokumentiert werden, um den Befähigungsnachweis Elektrotechnik aktuell zu halten und im Bedarfsfall vorlegen zu können.
- Erfahrungsaustausch: Regelmäßiger Austausch im Team oder mit externen Experten hilft, Wissen aktuell zu halten und aus der Praxis zu lernen.
Merke: Kompetentes Personal als Schlüssel zur Elektrosicherheit
Die richtige Auswahl und die kontinuierliche Sicherstellung der Qualifikation Ihres Personals im Elektrobereich sind fundamentale Bausteine einer rechtssicheren Organisation und aktiver Arbeitssicherheit. Nur wenn klar ist, wer über welche Befähigung verfügt (EFK, EuP, EFKffT), und diese Personen entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt und regelmäßig unterwiesen sowie weitergebildet werden, können Sie Gefahren minimieren und Ihrer unternehmerischen Verantwortung umfassend gerecht werden.
Sind Sie unsicher, ob die Qualifikationen und Bestellungen Ihrer Mitarbeiter im Elektrobereich den aktuellen Anforderungen entsprechen? Benötigen Sie Unterstützung bei der Erstellung von Anforderungsprofilen oder Weiterbildungsplänen?